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Mitarbeiter zum Lernen begeistern? (Teil 8)

Lesedauer: 8 Minuten

Die Einführung einer lernenden Organisation hängt im hohen Maße davon ab, das Erlernte zum Wohle der Organisation einzusetzen. Lernen kann hier nicht nur das Unternehmen, sondern vor allem auch der Mitarbeiter. Ein motivierter Mitarbeiter kann andere mitreißen und den Veränderungsprozess erheblich beschleunigen. Doch ist diese Art von Motivation für ein Organisationsmitglied nicht selbstverständlich, vor allem, wenn es nur im Unternehmen beschäftigt ist, um sich und die eigene Familie versorgen zu können.

Motivation: Eins – zwei oder drei …

David H. Pink untersuchte unterschiedliche Arten von Motivation und teilte diese in Motivation 1.0, Motivation 2.0 und Motivation 3.0 ein. Als Motivation 1.0 definiert er die biologischen Grundbedürfnisse, welche zum Überleben wichtig sind. Der Mensch kämpft quasi um seine Grundbedürfnisse wie Essen und Trinken. Die Motivation 2.0 ist nach Pink eine Motivationsart, welche auf Belohnung und Bestrafung basiert. Der Mensch übernimmt nur zusätzliche Aufgaben, wenn er eine Belohnung erwartet oder aus Furcht vor Strafen die Aufgabe ausführt. Diese Motivationsart ist noch immer die vorherrschende Motivationsart in den meisten Unternehmen und Organisationen. Als Motivation 3.0 bezeichnet Pink das Upgrade der Motivation 2.0 hin zu einem Menschen mit einem zusätzlichen altruistischen „drive“ zu lernen, zu schaffen und somit die Welt zu verbessern. Diese dritte Motivationsart ist die Motivation, welche Manager von ihren Mitarbeitern erwarten, wenn ein Veränderungsprojekt gestartet wird.

Die Erkenntnis, dass nicht alle Mitarbeiter diese gewünschte Motivation aufbringen, vor allem wenn diese im Laufe Ihrer Karriere bereits viele zukunftsweisende Veränderungsprojekte durchlebt haben, folgt jedoch in den meisten Veränderungsprojekten kurz nach dem Projektstart. Auch ist der Erfolg früherer Veränderungsprojekte nicht für jede Hierarchieebene klar ersichtlich. Mitglieder der Organisation, welche nicht in unmittelbarer Nähe eines Vertriebs oder der Unternehmensleitung angesiedelt sind, bekommen einen Erfolg oft nur durch eine steigende Arbeitsbelastung mit. Die steigenden Auftragszahlen bei einem gleichbleibenden Personalstand kann von Mitarbeitern eher als Stressfaktor interpretiert werden. Ein Einpendeln des Arbeitspensums auf einen normalen Stand ist nur durch einen strukturellen Wandel, z.B. der Einführung einer weiteren Schicht im Arbeitsbereich, möglich. Es ist daher nicht verwunderlich, dass nicht jedes Mitglied einer Organisation sofort bereit ist, eine Organisationsveränderung positiv zu sehen.

Frühe Einbeziehung der Mitarbeiter

Um die Motivation der Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens zu erhalten, setzt die lernende Organisation auf eine breite und frühzeitige Einbeziehung der Mitarbeiter. Unternehmen informieren Ihre Mitarbeiter über die geschäftliche Notwendigkeit und nutzen auch das Element der Zukunftsangst, um die Veränderungen zu begründen. Eine Sammlung möglicher Informationen, die Unternehmen Ihren Mitarbeitern vor und während des Veränderungsprozesses geben, stellt Doppler vor:

  • Eine wirtschaftliche Begründung, weshalb nicht alles so bleiben kann wie es ist, wird gegeben
  • Die Aktivitäten der Wettbewerber wird aufgezeigt
  • Konkrete Ziele dieses Vorhabens werden vorgestellt
  • Die Begründung, warum gerade so vorgegangen wird und nicht anders
  • Eine Darstellung der Risiken des Wandels
  • Eine Aufzählung, was in Zukunft anders oder neu wird
  • Welche Rolle die Mitarbeiter bei dieser Veränderung spielen
  • Eine Begründung warum die Mitarbeiter denen Vertrauen, die das Ganze geplant haben
  • Eine Aussage, warum es keine Alternativen gibt

Hierbei geht es jedoch nicht primär um die Erreichung einer Motivation 3.0, die den Mitarbeiter für den „drive“ zum Lernen und zur Verbesserung der Organisationswelt begeistert. Der Mitarbeiter soll durch die frühe Einbeziehung zu einem Beteiligten gemacht werden, mit dem Ziel, die Zukunftsangst zu begreifen, Angst vor Veränderungen abzubauen und so eine zügige Umsetzung von Lösungen zu erreichen . Die Motivation, dass der Mitarbeiter selbstständig zur Verbesserung der Organisation beiträgt und eine gemeinsame, emotionale Bindung zum Veränderungsprozess aufbaut, ist das Ziel dieser Vorgehensweise . Mittels dieser Bindung soll erreicht werden, dass das Wohl des Unternehmens für den Einzelnen einen hohen Stellenwert einnimmt. Der Mitarbeiter soll sich wie in einer Familie fühlen, die füreinander einsteht.

Die emotionale Bindung an das Unternehmen

Tatsächlich zeigen die Ergebnisse aus 17 Jahren Gallup-Studie, dass Organisationen und Unternehmen eine emotionale Bindung fördern können. So konnte festgestellt werden, dass die emotionale Bindung von Mitarbeitern in Unternehmen zu Beginn der Zusammenarbeit mit Gallup von 28 Prozent auf 65 Prozent gesteigert wurde. Die Anzahl der emotional ungebundenen Mitglieder der Organisation ließ sich innerhalb dieser Studie auf überschaubare 6 Prozent senken. Ein Hauptgrund für diese Steigerung der emotionalen Bindung der Mitarbeiter wurde im Erkennen und dem Erfüllen der emotionalen Bedürfnisse gesehen. Um diese zu ermitteln, müssen jedoch periodisch die richtigen Fragen an die Mitglieder einer Organisation gestellt werden .

Die Fragen, die für diese Analyse benötigt werden, können jedoch nicht einfach in einem Fragenkatalog dargestellt werden. Vielmehr müssen diese individuell an der jeweils vorherrschenden Kultur und dem Wertelevel des Einzelnen ausgerichtet sein. Ein Mitarbeiter oder eine Subkultur innerhalb der Organisation kann sich ausgeschlossen oder nicht ernstgenommen fühlen, wenn die Fragen aus einem Fragenkatalog nur auf Werte eines Wir-bezogenen Wertelevels abzielen, die Befragten sich jedoch in einem Ich-bezogenen Wertelevel befinden. Die emotionale Bindung, die für eine Motivation 3.0 benötigt wird, muss individuell für jedes Mitglied der Organisation gestaltet werden. Dies ist eine Aufgabe, die zumeist von Spezialisten und Personalentwicklern erfüllt werden soll, jedoch häufig von den entsprechenden Führungskräften durchgeführt wird. Diese Führungskräfte verfügen nur selten über die psychologischen Fähigkeiten, die benötigt werden, um die richtigen Fragen zu stellen. Eine aufwendige Schulung der Führungskräfte ist in vielen Fällen notwendig, um die richtigen Fragen zu formulieren und die Bedürfnisse der Mitarbeiter zu erkennen und einzusetzen, damit der Mitarbeiter eine emotionale Bindung aufbaut. Diese durchaus zeitaufwendige Vorgehensweise ist in vielen Veränderungsprojekten nicht eingeplant, wodurch eine Motivation 3.0 durch eine emotionale Bindung nicht in allen Fällen gelingt.

Der Einfluss der Demographie

Ein erhöhtes Einfühlungsvermögen in die emotionale Welt und in den Bedürfnissen der Organisationsmitglieder wird von den Managern und Führungskräften auch durch den Generationswandel zwingend benötigt. Die Erwartungen von den Mitarbeitern an die Unternehmenskultur wandelten sich im Laufe der Zeit. Mitarbeiter erwarten eine altersgerechte Arbeitsplatzgestaltung und neue Arbeitszeitmodelle mit größeren Freiräumen. Ebenso stehen Entfaltungsmöglichkeiten, wie die Einbringung eigener Ideen und der Faktor Mensch, der ein emotionales Wesen zum Ausdruck bringt, vor dem Erreichen der Unternehmensziele .

Diese Eigenschaften sind in den verschiedenen Generationen unterschiedlich ausgeprägt. Jede Generation in einer Kultur ist sozial-zeitlich positioniert und hat somit Erwartungen, eine bestimmte Identität und eine Vorstellung über die Entfaltungsmöglichkeiten, die leitend für das jeweilige Denken, Wollen, Handeln und Fühlen des Einzelnen sind . In der Generation Y werden diese Faktoren besonders deutlich. Nach Burkhart müssen Unternehmen und Organisationen sich mit Fragen kontaktiert sehen wie:

  • Welchen Mehrwert liefert mir das Unternehmen?
  • Wie schnell und gut kann ich meine Kompetenzen einbringen und erweitern?
  • Wie gut fordert und fördert mich mein direkter Vorgesetzter?
  • Welche Weiterbildungsmöglichkeiten habe ich?
  • Wie schnell darf ich wie viel Projekt- /Verantwortung übernehmen?

Eine Unternehmenskultur, die auf diese Fragen keine Antworten hat, befindet sich in einer schwierigen Lage neue Generationen von Mitarbeitern emotional an das Unternehmen zu binden. Doch nicht nur die neuen Generationen haben Verhaltensweisen, die von Organisationen und Unternehmen beachtet werden müssen. Babyboomer, 68er Generation und Generation X haben in Ihren Leben bereits einiges erreicht. Sie können auf viel Erfahrung zurückblicken und diese weitergeben. Durch diese Erfahrungen decken Sie einen Großteil Ihres Arbeitslebens ab und können Ihre Aufgaben schnell und gewissenhaft erledigen. Die Motivation, Neues zu lernen ist jedoch bei jedem Mitglied dieser Generation unterschiedlich ausgeprägt. Während einige gerne neues lernen und Ihr Wissen weitergeben, haben andere das Argument, im Leben bereits genug gelernt und getan zu haben.

Überforderung durch Schlüsselqualifikationen

Vernetztes, system- und handlungsbezogenes Denken in komplexen Kontexten, Kommunikations-, Kooperations- und Teamfähigkeit, Abstraktionsfähigkeit, intellektuelle Flexibilität sowie Kreativität, Innovationskraft, methodische Kompetenz, Fantasie und Gestaltungsfähigkeit wird in den neuen Organisationsformen von den Mitarbeitern als neue Qualifikationsbasis gefordert . Angesichts dieser Flut an Schlüsselqualifikationen sind alle Mitglieder der Organisation angehalten ihren Geist zu öffnen und viele Stunden mit dem Lernen dieser extrafunktionalen Qualifikationen zu verbringen.

Die Motivation, diese Zeit ohne einen entsprechenden Anreiz zu investieren, ist bei vielen Menschen nicht sehr ausgeprägt. Eine Untersuchung von Dietz und Osiander stellt diese Einstellung von „Ich habe im Leben bereits genug gelernt“ anschaulich dar. Die Untersuchung wurde zwar zum Zwecke der Bewertung von Weiterbildungen für Arbeitslose durchgeführt, wodurch die Befragten erst seit kurzem wieder in einem Beschäftigungsverhältnis standen oder noch arbeitssuchend waren, jedoch lässt sich aus dieser Untersuchung durchaus eine Tendenz ableiten. Dietz und Osiander stellten besonders heraus, dass 29 Prozent der Befragten nicht an Weiterbildungen teilnehmen, weil sie das Lernen nicht mehr gewohnt sind. Dieser Aussage stimmten Personen über 45 Jahre im Vergleich zu Personen unter 35 Jahren häufiger zu (33 % versus 25 %). Am deutlichsten sind jedoch qualifikationsspezifische Differenzen, wodurch 42 Prozent der Personen ohne Schulabschluss, aber nur 9 Prozent der Personen mit Abitur, dieses Gewohnheitsproblem anführen. Nach den Ergebnissen der Untersuchung kamen die Autoren zu dem Schluss, dass längere Weiterbildungen, wie sie für die extrafunktionalen Qualifikationen benötigt werden, nach lang zurückliegenden Schul- und Ausbildungsbesuchen als zu stark heraus- oder sogar überfordernd wahrgenommen werden.

Wie motiviert man nun Mitarbeiter zum dauerhaften lernen?

Eine Forderung des Unternehmens, die Mitarbeiter zu einem andauernden lernen anzuhalten, kann nicht über einen pauschalisierten Appell zu lernen und das Gelernte weiterzugeben gelingen. Gut ausgebildete Manager des Wandels sind gefragt, um die einzelnen Mitarbeiter zu analysieren und entsprechende Lernpakete zu schnüren. Dabei dürfen nicht nur bereits lernwillige Mitarbeiter gefördert werden, sondern vor allem diejenigen mit der Einstellung bereits genug gelernt zu haben. Für die Mitarbeiter müssen zusätzlich Möglichkeiten geschaffen werden, sich selbst zu motivieren, selbstständig zu lernen, zu scheitern und auch erfolgreich zu sein. Eine Orientierungshilfe von anderen Mitgliedern der Organisation, durch ein Feedback zu den Leistungen und den Perspektiven, kann zu einer Motivationssteigerung und einer Steigerung der Lernbereitschaft beitragen. Das Zulassen und Fördern einer Vielfalt von Fähigkeiten und Denkweisen der Individuen, beseitigt zusätzlich bereits vorhandene Lernhemmnisse und ermutigt Mitarbeiter, das volle Potenzial auszuschöpfen .

Die Unternehmen und Organisationen scheitern nicht selten an der Einführung der lernenden Organisation, da die Motivationshemmnisse der Mitarbeiter nicht überwunden werden. Gut ausgebildete Manager und Führungskräfte, welche die Fähigkeiten haben jeden einzelnen Mitarbeiter richtig einzuschätzen und bei diesen individuell die Motivation zu steigern, können die Chancen erhöhen eine Motivation 3.0 bei allen Organisationsmitgliedern einzuführen. Die individuellen Werte des Einzelnen mit den Unternehmenswerten zu verknüpfen, um eine emotionale Bindung zum Unternehmen aufzubauen, ist ein weiterer Garant für die Steigerung der Motivation des Mitarbeiters. Der Manager und die Führungskraft müssen sich zum Leader erheben und lange vor der flächendeckenden Einführung einer lernenden Organisation in den psychologischen Eigenheiten der Menschen geschult werden.

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