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Das Dilemma der Mitarbeiterflexibilität (Teil 10)

Lesedauer: 5 Minuten

Eine lernende Organisation ist flexibel. Nicht nur in den Strukturen und den Prozessen eines Unternehmens zeigt sich diese Flexibilität, sondern auch die Mitarbeiter zeigen diese. Ich vermute ich habe bei Euch ein zustimmendes Kopfnicken erzeugt. Aber ist Mitarbeiterflexibilität das Allheilmittel für eine Organisationsveränderung, hin zu einer lernenden Organisation?

Jeder versucht seine Aufgabe zu erfüllen

In der Unternehmenswelt ist der Einzelne bestrebt, die ihm zugeordneten Aufgaben zu erfüllen. Diese Aufgaben orientieren sich an den Belangen des Kunden oder dienen dem Erhalt oder der Weiterentwicklung des Unternehmens. In der Regel werden für die Aufgaben Fristen von Vorgesetzten gesetzt, um eine zügige Erfüllung der Aufgaben zu erreichen. Wird eine Aufgabe nicht erwartungsgemäß oder verspätet abgeliefert, ist eine Sanktion der übliche Weg, auf diese Situation zu reagieren. Manager neigen in solchen Situationen zu der Schlussfolgerung, dass das Team nicht hart genug arbeitet und nicht in der Lage ist, Aufgaben effektiv und effizient abzuarbeiten. Versetzt man sich in das Team, versucht dieses unverdrossen die Aufgabe entsprechend den Anforderungen der kreativen Köpfe des Topmanagements zu erfüllen.

Im Falle von Produktentwicklungen innerhalb des eigenen Unternehmens ist diese Vorgehensweise eine übliche Methode. Bleiben die gewünschten wirtschaftlichen Resultate aus, vermutet die Führungsmannschaft eine Diskrepanz zwischen dem geplanten und dem entwickelten Produkt. Als Lösung wird versucht, die Spezifikation oder die Aufgabenbeschreibung detaillierter und ausführlicher an das ausführende Team zu geben. Die Paradoxie bei diesem Verfahren ist, dass durch den hohen Detaillierungsgrad die Planungsphase in die Länge gezogen wird und eine Vielzahl an Rückmeldungen eingeholt werden muss, bevor mit der eigentlichen Aufgabe begonnen werden kann . Eine Flexibilität aller Mitglieder des Unternehmens wird zwar erwünscht, nicht selten um Personalkosten zu sparen, rückt jedoch eine Deadline für die Erfüllung einer Aufgabe näher, wird eine Flexibilität der Mitarbeiter eher unterdrückt. Die Aufgabenerfüllung stur nach den Vorgaben der Führungsmannschaft hat Priorität. Ein Abweichen hiervon führt bei den Vorgesetzten zu einem Gesichtsverlust.

Flexibel arbeiten und trotzdem lernen?

Lernen ist schwierig, wenn die Ausführenden gehetzt und gedrängt werden, um den Zwängen der Führungsriege zu genügen. Die Einführung einer lernenden Organisation kann nicht über Nacht oder durch Zwang erfolgen. Bei den Erfolgsbeispielen handelt es sich um Organisationen, die sorgfältig und stetig Einstellungen, Engagement und Managementprozesse kultiviert haben. Die Zeit und das vielfältige Verständnis des Einzelnen wird benötigt, um die Prozesse zu analysieren, die Bedürfnisse zu erkennen und diese für ein zukunftsfähiges Unternehmen umzusetzen . Die Möglichkeit, eigene Wege zu wählen und auch manchmal zu scheitern, ist wichtig für das Lernen des Einzelnen. Wenn allerdings die Flexibilität unterdrückt wird, nur vorgegebene Prozesse eingehalten werden müssen, verliert der Einzelne auch die Möglichkeit, wenn nicht sogar die Fähigkeit, zu lernen. Strenge Prozessstrukturen, die eingesetzt werden, um die Produktivität und die Effektivität zu steigern, können dazu beitragen, dass kreative Köpfe eingebremst werden, auch wenn diese sich weiterentwickeln wollen. Die Folge ist, dass Prozesse nicht stetig weiterentwickelt werden und das Unternehmen nur von Zeit zu Zeit darauf aufmerksam werden, Prozesse den Gegebenheiten anzupassen. Mitarbeiter, die stets angehalten wurden nach den Regeln des Unternehmens zu denken und zu handeln, sollen nun bei der Einführung einer lernenden Organisation die Prozesse anpassen, um das Unternehmen auf ein neues Level zu heben. Dass die auferlegten Scheuklappen nicht von allen Mitarbeitern auf Anweisung abgelegt werden können, ist vielen jedoch nicht klar.

Überforderung durch flexible Strukturen

Moderne Unternehmen versuchen die Flexibilität der Mitarbeiter zu fördern, indem sie die Handlungsspielräume, durch Abbau hierarchischer Ebenen und Regelungen, der einzelnen Person erweitern. Sie fördern eine direkte, abteilungsübergreifende Interaktion mit der Absicht ein schnelles Handeln zu ermöglichen. Die Gefahr in dieser Art der Unternehmensvereinfachung, ist eine Überforderung der einzelnen Mitarbeiter, durch die erhöhte Kommunikation und den neu hinzugekommenen Planungsaufgaben .

Eine Statista Befragung aus dem Jahr 2017, welche die Selbsteinschätzung zur Überforderung in Unternehmen und der Gefahr an einem Burn-out-Syndrom zu erkranken untersuchte, zeigt auf, dass Angestellte mit 66 Prozent vom weitaus höchsten Risiko ausgehen zu erkranken. Teamleiter (13 %) und Abteilungsleiter (7 %) geben weitaus seltener an, ein hohes Risiko für eine Burn-out Erkrankung bei sich selbst zu sehen . Der Einfluss von flachen Hierarchien, Kommunikationsüberforderung und den zunehmenden Planungsaufgaben die Angestellte ausführen, wird in dieser Studie nicht berücksichtigt. Die überwältigend hohe Anzahl der Angestellten, die ein Risiko zum Burn-out sehen, lässt jedoch den Schluss zu, dass der Stress im Arbeitsleben eines Angestellten zu groß ist, um Flexibilität und Kreativität auszuleben und so Neues zu gestalten.

Die Forderung nach Arbeitswelten

Die Verringerung der Hierarchieebenen stellt den Top-Down Ansatz dar, die Flexibilität von Mitarbeitern im Unternehmen zu fördern. Jedoch gibt es auch Bottom-Up Ansätze der Angestellten und Arbeiter zu mehr Flexibilität im Arbeitsleben verhilft. Hierbei ist nicht immer die Flexibilität im Umgang mit Arbeitsprozessen gemeint, sondern die Flexibilität im Bereich der Arbeitszeit und der Gestaltung der eigenen Arbeit. Der Bereich des Privaten soll nach dem Wunsch der Organisationsmitglieder flexibel in das Arbeitsleben integriert werden können . So spielt nicht nur die Betreuung der Kinder eine Rolle, sondern auch das Arbeiten im Homeoffice, die flexible Werkstattfertigung in Arbeitsgruppen und das Arbeiten zu selbst gewählten Zeiten. Dies sind nur einige Wünsche der Mitglieder eines heutigen Unternehmens. Die Arbeitswelten und Arbeitsweisen, die durch die Wünsche der Mitarbeiter inspiriert werden, können eingesetzt werden, um die bestehenden Prozesse und Produkte zu verbessern oder Vorschläge für neue Produkte zu generieren. Unternehmen, die ihre Mitarbeiter dazu ermutigen eine solche Arbeitsweise zu leben, sollten jedoch nicht die Mitarbeiter vergessen, die sich nicht mit diesen Arbeitswelten oder agilen Arbeitsmethoden identifizieren können.

Flexibilität ist doch wichtig!

Die Wahlfreiheit zwischen den Arbeitsmethoden kann die Motivation der Mitarbeiter steigern. Agile Methoden für Teams sind kein Allheilmittel. Allerdings können durch agile Methoden Mitarbeitern, welche die Flexibilität wollen, eine Möglichkeit geboten werden, sich selbst und das Unternehmen zu entwickeln. Besonders in der Veränderungsgestaltung hin zu einer lernenden Organisation gehen Technologie, Agilität und Flexibilität Hand in Hand mit der Organisationsentwicklung . Das Verhindern und die Verweigerung der Förderung der individuellen Flexibilität führt dazu, dass Veränderungsprojekte durch die Mitarbeiter keinen persönlichen Touch bekommen. Mitarbeiter identifizieren sich somit nicht mit den Veränderungsprojekt, wodurch die erhöhte Gefahr des Scheiterns des Projektes besteht.

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