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Berücksichtige die Umweltbedingungen in der lernenden Organisation (Teil 12)

Lesedauer: 6 Minuten

Organisationen werden in der Literatur zu Veränderungsprojekten meist als alleinstehend angesehen. Eine Verbindung mit den räumlichen Gegebenheiten und der Zusammenarbeit mit Dritten wird ausgeblendet. Es wird angenommen, dass das Unternehmen in seiner eigenen Welt lebt und durch den Markt, Gesetze und Wettbewerber beeinflusst wird. Um weiterhin zu bestehen und zu wachsen, muss das Unternehmen sich diesen Beeinflussern stellen, mit ihnen zusammenarbeiten und im besten Falle gemeinsam weiterentwickeln. Was viele vergessen, ist das Umfeld und die umgebende Welt des Unternehmens.

Strukturen und Kulturen im Umfeld des Unternehmens

In den unterschiedlichsten Regionen herrschen oft ganz eigene Regeln und Bräuche, so ist der Karneval im Ruhrgebiet oder das Oktoberfest in München ein fester Bestandteil der Kultur in den Regionen. Auch sind ländliche Regionen geprägt von dem Muss ein Fahrzeug zu besitzen, während in der Stadt ein Fahrzeug, verbunden mit der schwierigen Parkplatzsituation, als Belastung empfunden wird. Auch die familiäre und kulturelle Struktur der Mitarbeiter wird in der Literatur nicht erwähnt. Mitarbeiter in Unternehmen sind keine Menschen, die nach der täglichen Arbeitszeit ausgeschaltet werden und am nächsten Tag in der gleichen Konfiguration wieder eingeschaltet werden können.

Die lernende Organisation mit den fünf Disziplinen berücksichtigt diese Menschlichkeit nicht. Mit einer lernenden Organisation werden die Bedürfnisse des Unternehmens in den Vordergrund gerückt. Der Mitarbeiter soll sich mit dem Unternehmen verbunden fühlen und mit dem wohligen Gefühl zum Unternehmen zu gehören, seine Aufgaben erledigen. Die Ziele des Unternehmens sollen in das tägliche Denken übernommen und verinnerlicht werden. Dass der Mensch in mehreren Kulturkreisen lebt und handelt, wird in diesem Zusammenhang von der Literatur unterdrückt. Die Einführung einer lernenden Organisation nach den fünf Disziplinen berücksichtigt daher nicht das wertvollste Kapital, den eigenen Mitarbeiter.

Die Vision des Unternehmens bestimmt nicht den Tagesablauf eines Mitarbeiters

Die Reise durch einen durchschnittlichen deutschen Tagesablauf hat Regina Mennig mit den Daten des statistischen Bundesamtes aufgezeigt. Demnach beginnt der Tag um 6:18 Uhr mit dem Aufstehen und Frühstücken. Durchschnittlich um 7:20 Uhr startet der Weg zur Arbeitsstelle und damit das gedankliche Auseinandersetzen mit den Arbeitsaufgaben. Der Arbeitstag von 8:00 Uhr bis 17:00 Uhr wird unterbrochen von kleinen Kaffeepausen und der Mittagspause. Ab 17:00 Uhr startet der private Alltag mit Hausarbeit und der Pflege von sozialen Kontakten, bis sich der Durchschnittsdeutsche um 23:00 Uhr schlafen legt.

Ab 17:00 Uhr ist demnach der Durchschnittsdeutsche nicht mehr in der kulturellen Welt des Unternehmens. Für den Einzelnen gelten ab diesem Zeitpunkt veränderte, eigene Visionen, die dieser anstrebt. Werden zusätzlich noch Kinder und Familie berücksichtigt, verringert sich zusehends der gedankliche Tagesanteil, mit dem sich ein Arbeitnehmer mit den Werten und Visionen eines Unternehmens beschäftigt.

Um die gemeinsame Vision als zentrales Element der fünf Disziplinen in einem Unternehmen einzuführen, ist es demnach notwendig, nicht nur die unternehmerischen Belange in die Werte- und Visionsfindung einzubinden, sondern auch die Bedürfnisse der Mitarbeiter. Diese unterscheiden sich im Allgemeinen von Mensch zu Mensch. Allerdings gibt es durchaus regionale Gemeinsamkeiten, wie z. B. das zwingende Bedürfnis ein Fahrzeug für den Alltag nutzen zu müssen oder in der Faschingswoche bzw. zur Zeit des Oktoberfestes auch mal „Fünfe gerade sein zu lassen“. Das Ausnutzen dieser wirklich gemeinsamen Werte und das Einbinden dieser in die Unternehmenswerte, versprechen eine stärkere Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen und fördern somit das Verständnis für eine Veränderung.

Unterstützung im Alltag

Der Trend nach einer kollegialen Arbeitsatmosphäre und einer entsprechenden Work-Life Balance wird neben den Karrieremöglichkeiten vor allem von der Generation Y, also den jungen Generationen, gefordert . Viele Unternehmen erkennen dies und fördern Ihre Mitarbeiter bei der Bewältigung des Alltags, um flexibler oder auch besser für das Unternehmen verfügbar zu sein. Diese betrieblichen Work-Life-Balance Maßnahmen zielen darauf ab, die Karriereziele und Unternehmensbedürfnisse unter der Rücksichtnahme auf private, soziale, kulturelle und gesundheitliche Erfordernisse zu ermöglichen .

Nach einer Studie der Continentale Versicherung finden vor allem in größeren Unternehmen von mehr als 100 Mitarbeitern und an großen Standorten Work-Life Balance Maßnahmen statt. Die Verteilung der Work-Life-Balance Maßnahmen ist in den Unternehmen jedoch stärker an Angestellte ausgerichtet als an Arbeiter. Die Befragten der Continentale Studie gaben über ihre Arbeitgeber an, dass 59 Prozent der Unternehmen die Beschäftigten mit flexiblen Arbeitszeiten und 39 Prozent mit Stressbewältigungsmaßnahmen fördern. In 30 Prozent der Fälle werden Sportangebote außerhalb der Arbeitszeit angeboten .

Die Sicht auf die Work-Life Balance ist aus Unternehmersicht jedoch leicht verzerrt. Diese geben an, dass sie zu 91 Prozent flexible Arbeitszeiten und zu 58 Prozent Sportangebote anbieten. Auch bei der Kinderbetreuung gehen die Zahlen aus Sicht der Arbeitgeber und Arbeitnehmer auseinander. Während aus Unternehmenssicht 30 Prozent Kinderbetreuung unterstützen, haben Arbeitnehmer die Wahrnehmung, dass nur etwas mehr als 11 Prozent der Unternehmen Kinderbetreuungseinrichtungen vorhalten oder unterstützen . Durch diese verzerrte Sichtweise zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern scheint es nicht verwunderlich, dass Bedürfnisse in Veränderungsprojekten nicht richtig erkannt werden. Es ist den Unternehmen hoch anzurechnen, dass diese eine mitarbeiterfreundliche Arbeitswelt gestalten wollen. Jedoch sind die Evaluationsmethoden der Ergebnisse oder aber das Marketing über die angebotenen Leistungen ausbaufähig.

In den fünf Disziplinen der lernenden Organisation wird kaum auf einen arbeitnehmerfreundlichen Arbeitsstil eingegangen. Die reine Einführung einer lernenden Organisation beschäftigt sich vornehmlich mit den Belangen des Unternehmens und, wenn überhaupt, nur nebensächlich mit den Bedürfnissen der Mitarbeiter. Der Reiz, eine Veränderung hin zu einer lernenden Organisation zu gestalten, ist stärker in den Werten eines Unternehmens verankert als in den Werten der Mitarbeiter. Die Umsetzung der fünf Disziplinen ist schwierig, da die Bedürfnisse der Mitarbeiter nur aus der verzerrten Sicht der Manager gesehen werden. Unternehmen müssen daher mehrere Strategien vorhalten, um die Bedürfnisse der Mitarbeiter zu erkennen und diese zu motivieren. Diese Strategien beinhalten nicht nur die Interessen der Unternehmen, sondern auch die der Mitarbeiter.

Regionale Strukturen nutzen

Die Unternehmensumwelt besteht jedoch nicht nur aus den Regeln, die Unternehmen einhalten müssen, und den Belangen der Mitarbeiter. Jedes Unternehmen ist auch mit Zulieferern verbunden. Um schnelle Prozesse in Kleinserien zu gewährleisten, werden häufig regionale Zulieferer für Teile und Dienstleistungen ausgewählt. In Großserien, mit einer entsprechenden Vorausplanung, spielen Entscheidungen zugunsten regionaler Zulieferer eine untergeordnete Rolle. Die Vernetzung der Zulieferer mit den Unternehmen beeinflusst jedoch die Prozesse des Unternehmens. So sind Entwickler auf das Know-how der Zulieferer angewiesen. Einkäufer sind von schnellen Angeboten und einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis abhängig. Die Wartung von IT-Systemen wird häufig an Zulieferer übergeben, welche eine schnelle Reaktionszeit haben. Auch das Recruiting wird in Unternehmen mittlerweile oft outgesourct. Die Vernetzung ist so stark, dass die Zulieferer bei der Einführung einer lernenden Organisation zumindest beachtet werden müssen.

Ein Zwang, Organisationsfremde ebenfalls in die lernende Organisation einzugliedern, wird kaum zum Erfolg führen. Jedoch kann es sich durchaus als sinnvoll erweisen, Organisationsfremde über den Inhalt einiger Disziplinen der lernenden Organisation zu informieren. Wird die Intention über die Werte und die Vision geteilt, können sich Zulieferer darauf einstellen und so die Kommunikation und die Zusammenarbeit ausbauen. Unter Umständen kann der Zulieferer durch dieses strategische Wissen wachsen. Speziell die Disziplin des gemeinsamen Systemdenkens kann für beide Parteien gewinnbringend in Bezug auf Zeit und Ressourcen sein. Werden die Kräfte und Wechselbeziehungen, welche auf die Prozesse der Zusammenarbeit Einfluss nehmen, gemeinsam erkannt, können Prozesse aufeinander abgestimmt und Synergien geschaffen werden. Durch dieses gemeinsame Analysieren der Wechselbeziehungen kann die Disziplin des Team-Lernens dem Zulieferer nähergebracht werden. Durch das gemeinsame Lernen können beide Parteien Wissen aufbauen, gemeinsam nutzen und sich individuell und nach Wunsch kooperativ weiterentwickeln.

Vor allem in Regionen mit einer schwindenden Bevölkerung kann es ratsam sein, auf die Umwelt- und Umgebungsbedingungen zu achten. Die Chance besteht, dass hierdurch die Zukunftsfähigkeit der Organisationen und der Region gestärkt wird. 

Quellen:

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