Zum Inhalt springen

Das Fazit der Dilemmata der lernenden Organisation (Teil 13)

Lesedauer: 5 Minuten

Unternehmen besitzen ein zwiegespaltenes Wesen. Sie müssen sowohl innere als auch äußere Anforderungen erfüllen, um erfolgreich zu sein .

Das Unternehmen lernt neue Anforderungen in Herausforderungen umzuwandeln und diese zu meistern. Hat es diese Veränderungen gemeistert, konnte in der Vergangenheit eine Pause eingelegt werden, um die Anforderungen zu festigen, Prozesse zu optimieren und somit die größtmögliche Effizienz zu erreichen. In der heutigen VUCA-Welt, in der der Wandel und die Veränderung die Regel ist, schwindet diese Pause.

Unternehmen, die stabsmäßig geplant und mit einer unverrückbaren Basis aufgebaut sind, müssen und wollen schneller lernen. Doch mit unverrückbaren Fundamenten ist ein Wandel oft schwierig und benötigt Anleitung, um die Chancen des Gelingens zu vergrößern. Das Konzept der lernenden Organisation ist dabei seit den 1990er Jahren ein Buzzword, welches hohen Anklang in den Unternehmen findet. Die lernende Organisation nach Senge , welche mit fünf Disziplinen ein Kochrezept für ein Unternehmen bietet, zeigt mit eindrucksvollen Beispielen und einer logischen Abfolge Möglichkeiten auf, die lernende Organisation für alle Unternehmen einzuführen.

Die Probleme der lernenden Organisation bei der Umsetzung

Das Konzept der fünf Disziplinen hat jedoch Schwierigkeiten mit der Umsetzung. Die logisch klingenden Disziplinen sind schwierig anzuwenden. ClosedMinds, die Veränderungen scheuen, fehlende Ressourcen, um eine Veränderung durchzuführen oder fehlendes Wissen, um die Veränderung zu forcieren, sind nur einige Schwierigkeiten die zu meistern sind. Aber auch innerhalb des Konzeptes der lernenden Organisation treten Zweifel auf, ob dieses umzusetzen ist. Die fünf Disziplinen stellen die Ressource Mitarbeiter, die sich fest mit dem Unternehmen verbunden fühlt in den Mittelpunkt, um die lernende Organisation in Unternehmen zu realisieren. Jedoch vergessen die fünf Disziplinen die Individualität des Menschen, die Werte des Einzelnen und den individuellen Umgang mit Hindernissen.

In der lernenden Organisation wird die Kommunikation zwischen den Einzelnen, aber auch zwischen den Hierarchieebenen pauschalisiert. Der Blick wird in den fünf Disziplinen nur auf wenige Hierarchieebenen gerichtet, vor allem aber auf die typischen Büroarbeiter. Arbeitnehmer in Produktion oder Logistik werden kaum angesprochen. Die Diversität der Organisationsmitglieder bleibt vollkommen unbeachtet. Mitglieder einer lernenden Organisation sind nach den fünf Disziplinen gleichgeschaltet, in Bezug auf Selbstführung, Vision, Werte und der Lernwilligkeit. Individuen und die individuelle Akzeptanz der Organisationsveränderung werden kaum beachtet. Es wird vielmehr angenommen, dass alle Mitglieder einer Organisation die Eigenschaften von Innovators oder Early Adaptors innehaben. Dass Veränderungsprozesse nur durch einen hohen, gesteuerten Kommunikationsaufwand erfolgreich eingeführt werden, findet im Konzept der lernenden Organisation keine Beachtung.

Den Unternehmen wird zusätzlich suggeriert, dass durch eine Selbstführung der Mitarbeiter die Führungskräfte reduziert werden können. Für Führungskräfte, die nur durch Anhäufung von Fachwissen in einer Führungsposition platziert wurden, kann dies unter Umständen gelten. Führungskräfte, die sich psychologisch mit den Mitarbeitern befassen und ein Coaching statt des Managens von Mitarbeitern umsetzen, werden jedoch stärker gebraucht. Sie müssen für die Einführung einer lernenden Organisation Hindernisse in der Psyche und der Denkweise der Mitarbeiter analysieren, bewältigen und gewinnbringend einsetzen. Das Erkennen, der jeweiligen individuellen Wertelevel der Mitarbeiter und das schrittweise Anheben auf ein gemeinsames Wertelevel, muss nicht durch fachlich geschulte Coaches erfolgen, sondern durch psychologisch geschulte Führungskräfte und Coaches.

Ebenso wird im Konzept der lernenden Organisation davon ausgegangen, dass alle oder zumindest ein Großteil der Beschäftigten eine starke Motivation aufweisen zu lernen, um die Unternehmenssituation zu verbessern. Mitarbeiter mit privaten Verpflichtungen, können sich jedoch unter Umständen nicht vollständig auf ein Unternehmen einlassen. Familienbetreuung und eine ausgeglichene Freizeit sind für diese wichtiger. Die fünf Disziplinen vernachlässigen dies und gehen davon aus, dass ein Privatleben der Belegschaft nicht existiert. Durch erweiterte psychologische Fähigkeiten der Führungskraft kann auf diese Bedürfnisse der Belegschaft eingegangen und eine Lösung gefunden werden, die zu einer Aufrechterhaltung oder Steigerung der Motivation führen kann. Hierdurch kann ebenfalls auf die Bedürfnisse der unterschiedlichen Generationen, vor allem auf die stark differenzierten Bedürfnisse der Generation Y und Z, eingegangen werden. Aber auch einzelne Mitglieder von älteren Generationen müssen motiviert werden, um von der Einstellung „bereits genug gelernt zu haben“ abzukommen und sich auf neues einzulassen. Die Erfahrung der Führungskraft bzw. des Leaders, die in den fünf Disziplinen eine eher untergeordnete Rolle innehat, spielt in der Analyse der Beschäftigten eine entscheidende Rolle.

Durch eine Vision und die Vorgabe von Zielen kann die Motivation der Beschäftigten erheblich gesteigert werden. Die fünf Disziplinen setzen hierbei speziell auf eine gemeinsame Vision. In der Praxis wird jedoch die Vision von der Führungsriege vorgegeben. Der Mitarbeiter soll sich in dieser Vision wiederfinden und sein Arbeitsleben danach ausrichten. Zu dieser Vision gehören Ziele, die aus der Vision abgeleitet werden. Die fünf Disziplinen propagieren diese zwar, eine Organisation, welche die lernende Organisation umsetzen möchte, beschäftigt sich aber oft nicht durchgängig über alle Hierarchieebenen hinweg mit der entsprechenden Zieldefinition. Zwar sind die Unternehmensziele der Belegschaft bekannt, jedoch wissen diese oft nicht, wie ihre tägliche Arbeit die Unternehmensziele unterstützen kann. Für die Mitarbeiter werden daher individuelle Ziele erstellt, welche zur Erreichung der Unternehmensziele beitragen sollen und letztendlich die Vision herbeiführen sollen. Die individuelle Zieldefinition erfolgt in vielen Fällen aus Ressourcenmangel unzureichend, wodurch der Einzelne zwar seine Ziele kennt, diese jedoch weder SMART erreichen kann noch die Relevanz für die Unternehmensziele erkennt. Auch hier ist ein Coach, der die Vision individuell an die Mitarbeiter weitergibt, eine sinnvolle Unterstützung, um eine Unternehmensveränderung zu erreichen.

Mit der Einführung einer lernenden Organisation, soll dem Einzelnen eine größere Flexibilität bei der Erfüllung der Aufgaben gewährt werden. Die straffe Planung in global konkurrierenden Unternehmen lässt dies jedoch nicht in allen Fällen zu. Die Bedürfnisse des Unternehmens ändern sich oft kurzfristig, wodurch eine geplante Flexibilität nicht immer eingehalten werden kann. Oftmals wird es den Beschäftigten sogar erschwert, eine Flexibilität in der Arbeitswelt zu erreichen. Die Einplanung der Ressource menschliche Arbeitskraft wird verglichen mit der Ressource Arbeitsmaschine. Der Einzelne reagiert zudem unterschiedlich auf eine zur Verfügung gestellte Flexibilität. Je nach Wertelevel kann sich der Einzelne mit dieser Freiheit wohl oder unwohl fühlen und somit den Veränderungsprozess fördern oder blockieren.

Zuletzt richten sich die fünf Disziplinen vor allem auf die inneren Prozesse eines Unternehmens. Die Unternehmensumgebung und die in sich verändernden Werte in der übergeordneten Kultur werden vernachlässigt. Ebenso erhält die förderliche und prozessvereinfachende Zusammenarbeit mit Zulieferern keine Erwähnung in den Gesetzmäßigkeiten der lernenden Organisation. Synergien und ein gemeinsames Lernen über die Systemgrenzen hinaus bleiben ungenutzt.

Lernende Organisation „PLUS“

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die fünf Disziplinen und die lernende Organisation einen großen Reiz haben, die zukunftsfähige Organisationsveränderung nach diesen Prinzipien auszurichten. Jedoch werden Individuen und deren Einzelkulturen vernachlässigt. Auch die unterschiedlichen Wertelevels innerhalb eines Unternehmens finden kaum Beachtung. Mit Hilfe eines individuellen Coachings für die einzelnen Unternehmensbereiche, aber auch für die Mitarbeiter, kann die Chance, eine lernende Organisation erfolgreich einzuführen, erhöht werden. Jedoch ist eine Einführung der fünf Disziplinen als Stand-Alone Lösung nicht ausreichend. Erst durch das Zusammenspiel von mehreren Strategien des Organisationswandels, die eine psychologische Komponente aufweisen, werden zusätzlich die Werte und Einstellungen der einzelnen Mitarbeiter beachtet und gefördert. Mit diesem „PLUS“ bzw. diesem Methodenmix ist es einem Unternehmen möglich, umfassend zu lernen, wie es mit einer ungewissen Zukunft umgehen kann.

Quellen:
Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert